Shelter

Einst wurde unser sonst so friedlicher Hof von einer Tragödie erschüttert: Ein Igel, angelockt von der Aussicht auf leichte Beute, tötete zwei unserer jungen Küken. Die Glucke, eine tapfere Beschützerin trotz ihrer kleinen Statur, entschied, dass der Boden nicht mehr sicher genug war. Noch in derselben Nacht führte sie ihre verbleibenden Küken hoch in die Äste eines jungen Kastanienbaums.
Dort, auf einem schmalen Ast, breitete sie ihre Flügel aus, um ihre Küken vor Kälte und Regen zu schützen. Der Baum schwankte heftig im Sturm, doch die Henne und ihre Kleinen hielten sich fest – entschlossen, über der Gefahr zu bleiben. Am nächsten Morgen, tief bewegt von dem, was sie durchgemacht hatten, trugen wir die kleine Familie zurück in den Stall.
Doch die Henne hatte ihre Lektion gelernt. Jeden Abend, wenn die Dämmerung den Himmel färbte, führte sie ihre Küken erneut auf denselben Ast. Der Kastanienbaum wurde zu ihrem Zufluchtsort – ganz gleich, wie unbeständig das Wetter war oder wie mühsam der Aufstieg auch sein mochte. Aus Tagen wurden Wochen, und die Küken wuchsen zu kräftigen, gesunden Hennen heran. Die Erinnerung an jene Nacht blieb – tief eingeprägt in ihren Instinkten.
Noch heute, obwohl sie längst ausgewachsen sind, meiden sie den Schutz des Stalls. Stattdessen steigen sie jeden Abend wieder hinauf auf denselben Ast, ihre Federn vom Wind bewegt, als würden sie einen stillen Pakt mit ihrer Mutter hüten. Der Kastanienbaum, mit seinen schützenden Ästen, wurde mehr als nur ein Zufluchtsort – er wurde ein Symbol für Überleben und Widerstandskraft.

