Landscape

Der Nebel

Der Nebel

Seit November liegt über weiten Teilen Österreichs eine zähe Bodennebeldecke. Ein Zustand, der vertraut ist, fast schon saisonal, und doch ermüdend. Wenn man tagelang im Grau gefangen ist, beginnt man zu glauben, es gäbe nichts anderes mehr als diese gedämpfte Welt aus kaltem Licht und kurzen Tagen. Selbst aus Schweden berichten Freunde von ähnlicher Tristesse – als hätte sich ein grauer Schleier über Europa gelegt.

Kurz vor dem Jahreswechsel reicht es uns. Mit Frau, Kind und Kamera brechen wir vom Hausruckviertel ins Mühlviertel auf, auf der Suche nach Licht und einem kindgerechten Weg im Sonnenschein. Und tatsächlich: Ab etwa 800 Metern Höhe reißt der Nebel abrupt auf. Über uns spannt sich ein wolkenloser, warm getönter Himmel, das sanfte Hügelland nahe dem Moldaustausee liegt plötzlich klar und offen da. Es fühlt sich an wie eine andere Welt – so anders, dass man kaum glauben kann, nur wenige Höhenmeter darunter noch das Grau herrscht.

Nach einer kleinen Wanderung lassen wir uns auf einer Waldwiese nieder. Die Sonne steht tief, ihr Licht streicht über die grünen Kuppen im Vordergrund, während in der Ferne dunkle Baumgruppen wie Inseln aus einem weißen Meer ragen. Richtung Süden liegt die dichte Nebeldecke, schwer und unbeweglich, gefangen in den Tälern – dort, wo sie seit Wochen an den Menschen zerrt. Und doch gewöhnt man sich erstaunlich schnell an das Licht, an die Wärme, an diese scheinbare Selbstverständlichkeit von Sonne und Weite.

Auf dem Heimweg halten wir noch einmal an. Die Sonne glüht in sattem Orange am Horizont, legt goldene Schichten in den Himmel. Zwischen den Hügeln beginnt der Nebel langsam zurückzufließen, kriecht in die Senken, umspült Höfe und Waldränder. Einzelne Bäume stehen als dunkle Silhouetten im Gegenlicht, still und wachsam.

Dann tauchen wir wieder hinab, zurück in die Dunkelheit unter der Nebeldecke. Die andere Welt verschwindet hinter uns – und bleibt doch als leise Erinnerung daran, dass das Grau nicht alles ist, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.