Wächter

Ich habe dieses Foto am Neusiedlersee aufgenommen, gerade als die Sonne am Horizont verschwand und das Wasser darunter bronzefarben leuchtete. Als ich dort stand, spürte ich die ruhige, weitläufige Atmosphäre dieses Ortes. Der Neusiedlersee ist Österreichs größter Steppensee – weitläufig, flach und unendlich atmosphärisch. Seine Ursprünge reichen bis in die letzte Eiszeit zurück, als Schmelzwasser aus den Alpen nach Osten floss und sich in den versinkenden Gebieten des Pannonischen Beckens sammelte. Auch heute noch kann man diesen Übergang spüren: die massiven Alpen im Westen, die offenen, weitläufigen Ebenen im Osten.
Irgendwo zwischen diesen beiden Welten liegt Wien, fast wie ein Dreh- und Angelpunkt – eingebettet zwischen den Ausläufern der Berge und den Niederungen, geprägt von beiden Klimazonen, beiden Geschichten. Und hier am See wird dieses Zusammentreffen der Landschaften im Licht selbst sichtbar.
Als ich die Holzkonstruktionen beobachtete, die rhythmisch im Wasser standen – wie stille Wächter, die von der Zeit halb vergessen waren –, spürte ich, wie die Geografie in einem einzigen Moment zusammenkam. Die Luft trug die Wärme der Ebenen, die Abendbrise deutete auf die Berge hin, und der See spiegelte einen Himmel wider, der sich über Jahrhunderte zu erstrecken schien.
Als ich auf den Auslöser drückte, versuchte ich, mehr als nur den Sonnenuntergang einzufangen. Ich wollte dieses Gefühl festhalten, genau dort zu stehen, wo die Alpen in die pannonische Welt ausatmen, wo die Vergangenheit und die Gegenwart in einer dünnen Linie schimmernden Wassers aufeinandertreffen.


