Boten des Frühlings

An einem milden Frühlingsmorgen, als die ersten Sonnenstrahlen den noch kühlen Waldboden streiften, machte ich mich auf den Weg in eine Buchenzone des Wienerwald. Die letzten Spuren des Winters waren noch an den trockenen, braunen Blättern zu erkennen, die dicht über den Boden verteilt lagen und unter meinen Schritten leise raschelten. Zwischen diesem Meer aus welkem Laub entdeckte ich plötzlich einen leuchtend blauen Farbtupfer: ein Büschel zarter Leberblümchen, die sich mutig durch das Laub schoben und den Frühling ankündigten.
Ich hatte meine Kamera dabei, bestückt mit dem Sigma 70–200mm f/2,8 DG DN OS. Eigentlich ist dieses Telezoom weniger für Makroaufnahmen gedacht, doch ich wollte die hervorragenden Nahfokuseigenschaften des Objektivs testen. Behutsam kniete ich mich nieder, um möglichst nah an die kleinen Blüten heranzukommen. Ein leichter Wind ließ die zarten Stiele sanft schwanken, sodass ich ein wenig Geduld brauchte, um den perfekten Moment einzufangen.
Im Sucher zeigte sich ein wunderschönes Farbenspiel: Die intensiv blauen Blütenblätter stachen kräftig aus dem warmen Braun des Buchenlaubs hervor – ein fast schon komplementäres Farbduett aus Blau und Orange, das durch die grünlichen Herzblätter der Leberblümchen zusätzlich betont wurde. Dabei konnte ich sogar zwei unterschiedliche Blautöne erkennen: Einige Blüten hatten ein helleres, fast schon pastellfarbenes Blau, während andere in einem tieferen, satten Blau erstrahlten. Die gelben Pollen im Inneren der Blüten leuchteten in feinem Kontrast, und dazwischen ragten winzige violett-weiße Stempel hervor, die der Szenerie einen fast märchenhaften Charakter verliehen.
Ich richtete den Fokus präzise auf die vorderen Blüten, sodass deren Details gestochen scharf hervortraten: Die filigranen Blütenblätter, das leuchtende Gelb der Staubgefäße, die feinen Härchen an den Stielen. Im Hintergrund hingegen blieb alles in einem weichen, angenehmen Bokeh verschwommen. Dadurch wirkte es, als würden die Leberblümchen aus dem braunen Blättermeer direkt in meine Kamera hineinlächeln.
Dieses Foto erinnert mich noch lange an jenen Augenblick, in dem der Buchenwald seine kleinen, blauen Frühlingsboten offenbarte – und an die wunderbare Magie, die in der Natur erwacht, wenn die Welt aus dem Winterschlaf erwacht.

