Silverback

Manche Leute üben ihre Porträtfotografie mit Freunden, Bekannten oder zur Not sogar mit der Familie (so auch ich). Ich schaue mich aber auch gerne nach etwas außergewöhnlicheren Modellen um. Im Tierpark Schmiding bin ich dabei auf jemanden gestoßen, der zwar nicht gerade um ein Shooting gebettelt hat, mir aber sofort als perfekter Kandidat erschien: ein Gorillamännchen von beeindruckender Statur, nebst Familie und mit einem Blick, der gleichzeitig Respekt einflößt und jede Verhandlung über die Gage im Keim erstickt.
Eigentlich war ich mit meiner Frau und unserem kleinen Sohn dort, um ihm die Tiere aus seinen Bilderbüchern auch einmal „in echt“ zu zeigen. Für mich war es dann die perfekte Gelegenheit, ein Modell vor die Kamera zu bekommen. Seine Reaktion war allerdings weniger als begeistert – seinem Blick nach zu urteilen, schien er eher geneigt, mir ein paar Gliedmaßen abzureißen und mein Gesicht zu verspeisen, als mir ein Lächeln zu schenken. Verständlich. Nicht jeder steht gerne vor der Kamera.
Aber seien wir ehrlich: Bei einem so prächtigen Exemplar konnte ich unmöglich gehen, ohne sein Porträt aufzunehmen. Seine schiere Größe, seine imposante Präsenz und sein grüblerischer Blick – er ist in jeder Hinsicht ein Schwergewicht.
Natürlich wäre es, sagen wir mal: unklug gewesen, in sein Gehege zu klettern, um eine richtige Studioausrüstung aufzubauen. Also habe ich ein wenig geschummelt. Der dramatische schwarze Hintergrund? Der ist nicht wirklich da. Das ist ein kleiner digitaler Trick von mir. Hoffentlich stört sich niemand an dieser Manipulation – schließlich lässt sie ihn in seiner ganzen Pracht erstrahlen: ein lebendes Monument aus Muskeln, Erhabenheit und gerade genug Bedrohlichkeit, um einen Fotografen auf sicherer Distanz zu halten.
Ein echter Familienmensch, den man allerdings niemals bitten würde, „Cheese“ zu sagen.


